geschrieben von N. Zwanzig am 11.10.2017
Pro Evolution Soccer steht seit Jahren für die
anspruchsvolle virtuelle Simulation des Fußballs. Trotz aller Qualität hatte
die Serie stets mit dem übergroßen Image und Strahlkraft der Konkurrenz Fifa zu
kämpfen und blieb gefühlt stets eher ein Spiel für Kenner und Genießer als der
große Mainstream-Hit. Konami versuchte deshalb mit aller Kraft von Jahr zu Jahr
wenigstens mitzuhalten und immer wieder Anreize zu geben, eventuell mal einen
Blick auf PES zu riskieren. Mittlerweile scheint ein Umdenken diesbezüglich
stattgefunden zu haben, denn Pro Evo besinnt sich auf seine Stärken und macht
damit alles richtig. Warum Pro Evolution Soccer 2018 ein wirklich guter
Jahrgang ist, erfahrt ihr nun im Test.
Die Evolution der Perfektion
Bereits der Vorgänger PES 2017 setzte die Messlatte in
Sachen Gameplay sehr hoch und auf dieser Grundlage baut der neue Teil exzellent
auf. Die Entwickler fokussierten sich bei ihrer Arbeit auf die Verbesserung von
Features, die bereits zuvor gut funktionierten, um sie weiter zu perfektionieren.
Aus RealTouch wird somit RealTouch+. RealTouch verbesserte im letzten Jahr die
erste Ballannahme der Spieler (der First Touch) und erweiterte die
Möglichkeiten in Sachen Positionierung zum Spielgerät, Abschirmung, Ballgewinn
und -kontrolle. Das Konzept bleibt mit dem angehängten Plus grundsätzlich das
Gleiche, jedoch kommen jetzt alle Körperteile ins Spiel. Die Akteure auf dem
Rasen benutzen nun Oberschenkel, Schultern, Bauchmuskeln, Brust und alle Seiten
ihrer Füße, um die Kugel unter Kontrolle zu bringen. Das Resultat ist ein
deutlich realistischeres Bild auf dem Platz und somit ein weiterer Zugewinn an
Atmosphäre. Es fühlt sich einfach gut und richtig an, wie sich Spieler mit
unterschiedlichen körperlichen und spielerischen Voraussetzungen und
Fähigkeiten steuern. Gerade in engen Situationen und Zweikämpfen kommt dieser
Faktor besonders zum Tragen.
Dennoch ist auch bei PES 2018 nicht alles Gold, was glänzt.
Zwar agieren die Torhüter, welche in der Vergangenheit oft für viel Diskussionsstoff
sorgten, auf gutem Niveau und zeigen teilweise spektakuläre Paraden, jedoch fällen
sie das ein oder andere Mal ziemlich fragwürdige Entscheidungen und lassen auch
mal vermeintlich schwache Schüsse nach vorn abprallen, was die gegnerischen
Stürmer gerne mit Toren honorieren. Es geht aber niemals so weit, dass Spiele
nur durch die Leistungen der Keeper ruiniert werden, dafür machen die
restlichen Mannschaftsteile auch KI-gesteuert einen zu guten Job.
Genie und Wahnsinn nah beieinander
Völlig unverständlich ist das hässliche Layout und Design
der Menüs. Statt optisch angesprochen und neugierig gemacht, wird man aufgrund
von türkisen und grauen Kacheln mit simplen schwarzen Wortgruppen eher abgeschreckt
und realisiert vielleicht erst später, welche Fülle wirklich dahinter versteckt
ist. Hier liegt definitiv die größte Baustelle für die Zukunft. Das Auge isst
ja bekanntlich mit. In Sachen Lizenzen muss man sich in gewohnter Weise dem
Mitbewerber geschlagen geben, jedoch geht Konami mit offiziellen
Partnerschaften bekannter Traditionsclubs und Zuschauermagneten wie dem FC
Barcelona, Borussia Dortmund, dem FC Liverpool und Arsenal einen guten Weg.
Dazu gesellen sich südamerikanische Schwergewichte wie Corinthians und River
Plate, die einen großen Markt erschließen. Mit dem FC Schalke 04 und RB Leipzig haben es neben dem BVB
leider wieder nur drei deutsche Mannschaften ins Spiel geschafft, was viele
abermals davon abhalten wird, Pro Evo eine Chance zu geben. Die Zerschlagung
des Lizenzmonopols von EA würde hier Wunder wirken. Ein Ass hat PES hingegen mit
den exklusiven Lizenzen zur Champions und Europa League im Ärmel. Jedoch wird
der Stimmung ein Dämpfer verpasst, wenn "Man Red" gegen "MD
White" spielt statt Manchester United gegen Real Madrid. Die Community
wird an dieser Stelle wieder einmal einspringen und interessierte Spieler bald mit
Option-Files versorgen, klasse Editor sei Dank.
In Sachen Modi gibt es zwei Neuzugänge. Ihr könnt nun
Zufallswahl-Partien bestreiten, bei der ihr eine Mannschaft anhand bestimmter
vorher eingestellter Parameter (Teams, Ligen, Nationen) zusammengewürfelt bekommt
und mit dieser dann antretet. Nach der Auswahl habt ihr die Möglichkeit, eurem
Gegner per Trade noch Spieler abzunehmen. Das macht besonders gegen menschliche
Gegner auf der heimischen Couch Spaß, da stets Improvisation gefragt ist und
sich wahrer Skill oftmals dann offenbart, wenn man nicht mit einem
Weltklasse-Team spielen darf. Beim 3-gegen-3-Koop messen sich, wie der Name
schon vermuten lässt, sechs Spieler im Duell. Die Besonderheit sind die
gesonderten Bewertungen für jeden Spieler. Vergebene Chancen und schlampige
Pässe geben Punktabzug, wohingegen tolles Kombinationsspiel und Tore die
Wertung nach oben treiben.
Luft nach oben besteht weiterhin im Meister-Liga-Modus,
welcher trotz optischer Neuerungen leicht antiquiert wirkt. Wie überholt der
Werde-zur-Legende-Modus mittlerweile rüberkommt, merkt man, wenn man Fifas
Journey gespielt hat. Auch die deutschen Kommentatoren scheinen etwas aus der
Zeit gefallen zu sein, da die sich wiederholenden Phrasen aus den Vorgängern
und die unpassenden Momente weiter negativ auffallen. Dieses samplehafte Abspulen
von Sätzen und Sprüchen wird den Kollegen Hagemann und Küpper einfach nicht gerecht. Ziel muss es zukünftig sein,
diese Kleinigkeiten auszumerzen und das hohe Gameplay-Niveau auch mal richtig
in Szene zu setzen.
Follow @Gameathlet